Was sind
"gutartige" (benigne) Epilepsien ?
Als "gutartig" wird man im Kindesalter die
Epilepsien empfinden, deren Anfälle unter einer weitgehend nebenwirkungsfreien
Behandlung nicht mehr auftreten, die nach einigen Jahren solcher Behandlung oder
auch ohne Behandlung spontan ausheilen ("sich auswachsen"), und bei
denen die Kinder sich unauffällig und ohne Beeinträchtigung ihrer Aktivität
normal weiter entwickeln.
Kinder werden überwiegend von Epilepsien betroffen, welche
organische Ursachen, vor allem Hirnschädigungen, nicht
erkennen lassen. Solche Erkrankungen werden "idiopathisch" (nach ILAE-Empfehlung „genetisch“) genannt, das heißt als eigenständige, anlagebedingte
Erkrankung (griechisch idios = eigen, pathein = leiden)
angesehen. Siehe dazu: Was sind die Ursachen gutartiger
Herdepilepsien ? und auch: Welche Bedeutung hat die Vererbung bei Epilepsien?
Die meisten idiopathischen Epilepsien des Kindesalters sind
„selbstlimitierend“, das heißt, sie heilen noch vor oder während der Pubertät
aus, überwiegend ohne Folgen für die Entwicklung der Kinder. Solche "sich
auswachsenden" Erkrankungen werden daher auch als "gutartige
altersgebundene idiopathische Epilepsien" bezeichnet.
Zu diesen rechnen wir die idiopathischen Herdepilepsien des Kindesalters, wobei
einschränkend darauf hinzuweisen ist, dass die – zum Glück selteneren –
„atypischen“ Formen (Pseudo-Lennox-S., CSWS, Landau-Kleffner-S.) häufig bleibende Entwicklungsstörungen
hinterlassen. Daher soll – nach Empfehlung der → ILAE
– dafür die Bezeichnungen „gutartig“ oder „benigne“ besser durch
„selbstausheilend“ (englisch “self
limited“) ersetzt werden.
Auch die - ebenfalls idiopathischen - Absence-Epilepsien
des frühen Schulalters nehmen bei richtiger Behandlung zu etwa 90 Prozent
einen entsprechend gutartigen – „sich selbst begrenzenden“ - Verlauf.
Die idiopathischen primär generalisierten
Epilepsien des Jugendalters sind im oben angeführten Sinne nur
eingeschränkt als "gutartig" anzusehen. Man wird sie eher "gut
behandelbar" nennen. Sie benötigen meistens eine sich bis ins
Erwachsenenalter hinziehende medikamentöse Behandlung. Die betroffenen
Jugendlichen bleiben aber in der Regel unter einer gewissenhaften Behandlung
weitgehend anfallsfrei und entwickeln sich meistens unauffällig.
Die frühkindlichen idiopathischen Epilepsien mit
generalisierten Anfällen, die im 1. bis 5. Lebensjahr mit myoklonischen,
myoklonisch-atonen (-astatischen), tonisch-klonischen
Anfällen und/oder Absencen in Erscheinung treten,
sind dagegen oft schwer zu behandeln und zeigen nicht selten ungünstige
Verläufe, besonders wenn sie sehr früh beginnen und mehrere der angeführten
Anfallsarten in Kombination auftreten, wie beim Dravet-Syndrom.
Bei den symptomatischen
(strukturell-metabolischen) fokalen Epilepsien lässt sich nur in etwa der
Hälfte der Fälle Anfallsfreiheit erreichen, und nur wenige verlaufen - im oben
beschriebenen Sinne - weitgehend gutartig. Behandelbarkeit und Entwicklung
zeigen hier große Unterschiede und sind vor allem abhängig von Art und Ausmaß
der zugrunde liegenden hirnorganischen Ursachen.
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gutartigen Verlauf erwarten?