Nichtepileptische
anfallsartige Erscheinungen
im Jugendalter
Tics
sind gleichförmig (stereotyp) sich wiederholende, unwillkürliche plötzliche
Zuckungen, auch kurze Verkrampfungen , z.B.
der Augenlider, der Augenbrauen, einer Gesichtsseite oder einer Schulter, die
bei psychischer Belastung vermehrt auftreten. Sie unterscheiden sich damit
deutlich von den epileptischen Myoklonien. Auch bizarre Eigenarten mit Hüpfen,
Grimassieren, Husten, Räuspern und Lautäußerungen – bis zum Ausstossen von
Schimpfworten und Sätzen - kommen vor. Man spricht dann auch vom „Tourette – Syndrom“ (nach dem franz.
Arzt Gilles de la Tourette).
Einschlafzuckungen
treten in jedem Alter häufig auf und sind harmlos. Sie betreffen einzelne
Glieder, oft den Schultergürtel. Sie können beim Einschlafen oder im leichten
Schlaf aber auch häufiger und so störend und heftig sein, dass Betroffene davon
aufwachen. Sie werden dann als Einschlafmyoklonien oder benigne Schlafmyoklonien bezeichnet und zu den Schlafstörungen
gerechnet. Sie sind keine epileptischen Myoklonien,
welche in diesem Alter vor allem nach dem Aufwachen auftreten können.
Eine Migräne kann sich anfallsartig mit
Sehstörungen, Übelkeit und Leibschmerzen zeigen - auch mit Schwindel,
Sprachstörungen, Verwirrtheit, Lähmungen als „komplizierte Migräne“ – oft mit
nachfolgendem Schlaf – und gelegentlich auch ohne nachfolgende
Kopfschmerzen. Da solche Attacken länger
dauern, unterscheiden sie sich damit von epileptischen Anfällen, die meistens
in Sekunden bis Minuten ablaufen. Selten erfolgt das Auslösen von occipitalen epileptischen Anfällen durch eine Migräne
("Migräne-Epilepsie-Syndrom").
Synkopen
sind nichtepileptische, kurze Ohnmachten. Eine solche Ohnmacht oder auch ein Kollaps ist die Folge einer
verminderten Hirndurchblutung verschiedener Ursache. U.a. führen dazu Hitze und
längeres Stehen (orthostatischer Kollaps), auch eine psychovegetative
Erweiterung der Blutgefäße z.B. bei einer Blutabnahme („vagovasale Synkope“).
Ankündigung oft durch Schwindelgefühl, Sehstörungen ("mir wird schwarz vor
den Augen") und Blässe. Sturz in der Regel als schlaffes Zu-Boden-Gleiten.
Meist rasche Erholung im Liegen und Erinnerung an den Beginn.
Erst
nach dem Sturz – auf dem Boden liegend (dies als Unterschied zu einem
epileptischen Anfall) erfolgen oft auch leichte Zuckungen und/oder eine kurze
tonische Verkrampfung, auch ein Urinabgang ist dabei möglich.
Eine
solche „konvulsive Synkope“, Dauer in der Regel nur 5-10 Sekunden, ist durch
den Sauerstoffmangel bedingt (anoxischer Krampf) und kein epileptischer
Anfall. Nur in seltenen Fällen führt der Sauerstoffmangel zu einem
anoxischen epileptischen Reflexanfall mit länger
anhaltenden rhythmischen Kloni
des Gesichts und der Gliedmaßen oder einem generalisierten
tonisch-klonischen Verlauf.
An
die seltenen kardialen Synkopen muss
gedacht werden, wenn sie unter körperlicher Anstrengung auftreten. Ursachen
sind Funktionsstörungen des Herzens, etwa Rhythmusstörungen oder Herzfehler. Da
sie gefährlich sein können, müssen sie bei Verdacht sicher ausgeschlossenen
werden, z.B. durch ein Belastungs-Ekg.
Erwähnt seien hier
auch die Asthma-Anfälle – sie kommen
bei etwa 10% aller Kinder vor. Bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen
reagiert das → vegetative Nervensystem übermäßig auf Entzündungen und
Allergene mit einer Verkrampfung der Bronchialmuskulatur. Die Anfälle von
Atemnot durch Behinderung der Ausatmung mit Giemen bei einem Asthma sind mit
diesem Erscheinungsbild von epileptischen Anfällen leicht zu unterscheiden.
Die Narkolepsie
–„Schlafsucht“ - geht einher mit starker Tagesmüdigkeit, nichtepileptischem
anfallsweisem Schlafzwang, daneben meistens auch mit Kataplexien - anfallsartigen nichtepileptischen Tonusverlusten der
mimischen und der Haltemuskulatur, mit Fallenlassen von Gegenständen,
Einknicken in den Knien, auch Stürzen, ausgelöst durch heftige Affekte (z.B.
Erschrecken, Ärger, Lachen), Dauer einige Sekunden bis Minuten.
Nichtepilepische
„Dissoziative Anfälle“ sind keine
simulierten Anfälle, sondern sie müssen als Äußerung einer psychischen Störung
verstanden werden. Hinweise darauf sind dramatische Ausgestaltung mit wechselnd
gestalteter Motorik, dabei ausschlagenden Bewegungen der Gliedmaßen, dabei
geschlossenen Augen mit Widerstand gegen Lidöffnung und eine längere Dauer der
Anfälle mit Neigung zum nicht-epileptischen Status
("Status pseudoepilepticus").
Das Bewusstsein ist meist eingeschränkt, die Sinneswahrnehmung erhalten.
Eine Kontaktaufnahme kann dabei einem einfühlenden geschulten Beobachter
möglich sein. Vorkommen mehr bei Mädchen als bei Jungen, meist erst nach der
Pubertät, oft verbunden mit Schulversagen, familiären Konflikten und
Angststörungen. Ein Video-EEG kann die Diagnose bestätigen.
Betroffene leiden oft zusätzlich unter epileptischen Anfällen oder haben
epileptische Anfälle in ihrer Umgebung gesehen. Eine Behandlung ist möglich
durch einen Psychologen. Sie sollte – wie die Diagnose – möglichst frühzeitig
erfolgen, weil chronifizierte Fälle keine gute Prognose haben.
Besonders bei Jugendlichen ist auch an Drogen- und Medikamentengebrauch mit
entsprechenden Nebenwirkungen zu denken.
Zur
Hauptseite/Inhaltsübersicht
Alphabet. Inhaltsverzeichnis + Fachworterklärungen