Das neue internationale Konzept für die 

Klassifikation der zerebralen Anfälle

(ILAE 2017 Classification of Seizure Types)

Neues im Überblick:

Bestehen bleiben soll die – an erster Stelle der Klassifikation stehende - 

Einteilung in

Fokale Anfälle = Herdanfälle, engl. „Focal Onset“ = mit fokalem Beginn

Generalisierte Anfälle, Generalised Onset“= primär generalisiert

Nicht klassifizierbare Anfälle, „Unclassified“      

Hinzu kommen soll die Kategorie

Anfälle unbekannten Ursprungs  „Unknown Onset“

 

Für die weitere Beschreibung soll gelten:

Fokale Anfälle:

Mit den Ausdrücken „fokal“ und „generalisiert“ vor der Anfallsbezeichnung wird – wie bisher - ein fokaler oder generalisierter Anfallsbeginn gekennzeichnet.

Der Ausdruck „komplex-fokaler Anfäll“ sollte ersetzt werden durch „Fokaler Anfall mit eingeschränktem Bewusstsein“ („focal impaired awareness seizure“), dabei möglichst noch genauerer Beschreibung der Art der Einschränkung und ggf. weiterer begleitender, vorhergehender oder nachfolgender Symptome.

Ein fokaler Anfall mit eingeschränktem Bewusstsein (mit oder ohne irgendeine sonstige Unterklassifikation) entspricht somit dem bisherigen „komplex-fokalen Anfall“. Auch ein eingeschränktes Bewusstsein während nur eines Teils des Anfallsverlaufs macht diesen zu einem Anfall mit einer Bewusstseinsstörung.

Das Maß der bewussten Erfahrung des Anfalls - der Grad des Bewusstseins bei einem Anfall – sollte in der Anfallsbezeichnung enthalten sein. Es ist ein möglicher wichtiger Bestandteil, und sollte bei der Klassifikation wegen ihrer praktischen Bedeutung berücksichtigt werden.

Ein erhaltenes Bewusstsein heißt, dass eine Person während eines Anfalls sich selbst und ihre Umgebung wahr nimmt, auch wenn sie sich nicht bewegen kann. Ein bewusst wahr genommener fokaler Anfall (mit oder ohne irgendeine sonstige Unterklassifikation) entspricht der bisherigen Bezeichnung „einfacher fokaler Anfall“.

Der Ausdruck „Sekundär generalisierter Anfall“ sollte aufgegeben werden für „Fokaler Anfall mit Übergang in bilateralen tonisch-klonischen Anfall“ („focal to bilateral tonic-clonic seizure“).

Statt  „partial“ sollte stets der Ausdruck „fokal“ gebraucht werden.

Statt „hypermotorisch“ für eine agitierte Motorik sollte der Ausdruck „hyperkinetisch“ gebraucht werden.

Unterschieden werden sollte wenn möglich zwischen fokalen Anfällen mit motorischem Beginn („Motor Onset“) und nicht-motorischem Beginn (“Nonmotor Onset“).

Motorisch beginnen kann der Anfall fokal - tonisch, atonisch, klonisch, myoklonisch, auch mit Automatismen oder epileptischen Spasmen.

Nicht-motorisch kann ein Anfall einsetzen mit z.B. sensorischen, sensiblen, autonomen Symptomen wie auch verschiedenen Graden und Formen einer Bewusstseinsstörung.

Als neuer Begriff eingeführt wurden fokale „emotionale Anfälle“ bei Empfindungen z.B. von Angst, Freude, Ekel, Ärger, Trauer – oder auch nur Äußerungen solcher Gemütsbewegungen ohne echte subjektive Anteilnahme.

Der neu eingeführte englische Begriff „behavior arrest“ bezeichnet ein Innehalten in Ausdruck und Bewegung des Betroffenen als vorherrschendes Symptom während der gesamten Anfallsdauer.

Generalisierte Anfälle:

Unterschieden werden sollten auch hier motorische und nichtmotorische Anfallstypen:

Als motorisch-generalisierte Anfälle werden aufgeführt generalisiert- tonisch-klonische, klonische, tonische, myoklonische, myoklonisch-tonisch-klonische, myoklonisch-atonische, atonische Anfälle und epileptische Spasmen.

Als nicht-motorisch-generalisiert gelten Absencen, neben den typischen auch die atypischen Absencen.

Anfälle unbekannten Ursprungs („Unknown Onset“)

Die Klassifikation eines Anfalls beginnt mit der Feststellung, ob die Anfallserscheinung zu Beginn – das Initialsymptom - fokal oder generalisiert ist. Wenn dieser Anfallsbeginn nicht zu beobachten war oder nicht sicher zu bestimmen ist, wird er als unbekannt bezeichnet.

Nicht klassifizierbare Anfälle

Als unklassifizierbar werden bezeichnet Anfälle, die in den anderen Kategorien nicht eingeordnet werden können oder für die nur unzureichende Informationen vorliegen.

 

Beweggründe zur Revision der bisherigen Klassifikation von 1981 waren folgende:

1. Einige Anfallsformen (engl.: seizure types) – zum Beispiel tonische Anfälle oder epileptische Spasmen, können sowohl einen fokalen wie generalisierten Anfallsbeginn haben.

2. Eine Ungewissheit über den Anfallsbeginn macht mit dem bisherigen System einen Anfall unklassifizierbar.

3. Bisherige Beschreibungen von Anfallsformen berücksichtigen nicht den speziellen Grad einer Bewusstlosigkeit oder die Art eines eingeschränkten Bewusstseins, obwohl dies für viele Anfallsformen wesentlich ist.

4. Vielen bisher gebräuchlichen Ausdrücken mangelt es an allgemeiner Akzeptanz oder Verständlichkeit, wie etwa „psychisch“, „partial“, „einfach partial“, „complex partial“ und „dyskognitiv“.

5. Einige wichtige Anfallsformen werden nicht berücksichtigt.

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Eingehenderes siehe unter

https://www.epilepsy.com/sites/core/files/atoms/files/Presentation%20Illustrating%20the%202017%20Classification%20of%20Seizure%20Types.pdf

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