Wie
sehen Herdanfälle (fokale/ partielle Anfälle) aus ?
Zu unterscheiden sind
Einfach-fokale
Anfälle (siehe unten),
sekundär
generalisierte Anfälle,
Von einfach-fokalen Anfällen wurde bisher gesprochen, wenn sich die
epileptische Erregung auf einen Herd beschränkt. Dabei kommt es immer wieder zu
weitgehend gleichförmigen Anfallserscheinungen. Bei diesen ist das Bewusstsein
erhalten, sie werden also vom Betroffenen erlebt.
Nach neuer Übereinkunft (ILAE 2017)
wird die Bezeichnung „einfach-fokal“ ersetzt durch „fokal“ mit Angabe der
speziellen Symptomatik, also z.B. „fokal-motorischer Anfall“ oder
„fokal-sensorischer Anfall“. Dabei soll möglichst unterschieden werden zwischen
fokalen Anfällen mit motorischem Beginn und solchen mit nichtmotorischem
Ursprung.
Ein erhaltenes Bewusstsein heißt, dass
eine Person während eines Anfalls sich selbst und ihre Umgebung wahr nimmt,
auch wenn sie sich nicht bewegen kann. Ein bewusst wahr genommener fokaler
Anfall (mit oder ohne irgendeine sonstige Unterklassifikation) entspricht der
bisherigen Bezeichnung „einfacher fokaler Anfall“.
Motorische fokale Anfälle zeigen Zuckungen (Kloni) oder (tonische)
Versteifungen/Verspannungen einzelner Muskeln oder Muskelgruppen, etwa eines
Armes oder auch einer Gesichtshälfte. Nachfolgend können betroffene Muskeln
bzw. Gliedmaßen vorübergehend - meist nur Minuten - gelähmt sein
("Toddsche Lähmung"). Das erklärt sich durch die vorübergehende
Erschöpfung des betroffenen Hirnrindengebietes nach epileptischer Übererregung.
Motorisch treten auch fokale Atonien und Myoklonien
auf, auch → Automatismen
und → epileptische Spasmen. Bei versiven oder Wende-Anfällen kommt
es zu steifen - meist langsamen, zeitlupenartigen - Körperdrehungen und
-wendungen oder nur Wendebewegungen von Augen, Kopf und/ oder Oberkörper.
Unterschieden werden Ipsiversivanfälle, mit
Wendung zur Seite des epileptischen Herdes im Gehirn, und Adversivanfälle zur Gegenseite.
Nichtmotorisch
kann ein Anfall einsetzen mit
sensiblen, sensorischen oder autonomen Symptomen (s.u,) oder auch verschiedenen
Graden einer Bewusstseinsstörung.
Geht der Anfall von einem sensiblen,
das heißt für das Gefühl zuständigen Rindengebiet aus, ergeben sich an den
betroffenen Körperteilen Missempfindungen, etwa ein Kribbeln oder
Taubheitsgefühl. Dies nennt man einen sensiblen
Herdanfall.
Die Kombination beider Anfallsformen,
die wegen der Verflechtung und Nachbarschaft motorischer und sensibler
Hirnrindengebiete häufig vorkommt, ist ein sensomotorischer
Anfall.
Außer sensiblen Missempfindungen kann
ein Betroffener - seltener - bei sensorischen Anfällen falsche Empfindungen des Sehens, Hörens,
Riechens, Schmeckens oder des Gleichgewichts haben. Solche → Halluzinationen können etwa Lichtblitze, Töne,
unangenehme Gerüche oder Schwindelgefühle sein.
Auch vegetative (auch
"autonom" genannte) Anfälle mit Erscheinungen wie Blässe oder
Erröten, Schwitzen, Erbrechen, Pupillenerweiterung, Herz- oder
Atemfrequenzsteigerung kommen vor.
Epigastrisch (gr.epi=über,
gaster=Magen) nennt man fremdartige autonome Missempfindungen, die vom
Bauchraum zum Kopf aufsteigen und mit Wärme- oder Kältegefühlen verbunden sein
können.
Bei Erinnerungstäuschungen (dysmnestischen Anfällen) werden frühere Erlebnisse oder Eindrücke
noch einmal mit einem schwer beschreiblichen Gefühl der Vertrautheit und
zugleich Verfremdung erlebt, auch gesehen oder gehört. (→
deja-vecu/ deja vu/ deja-entendu).
Alle Sinnestäuschungen können isoliert,
auch als Aura,
empfunden werden. Sie können auch miteinander kombiniert oder im Zusammenhang
mit motorischen Erscheinungen (siehe oben) erlebt werden. Die epileptische
herdförmige Erregung kann sich im Verlaufe eines Herdanfalls in benachbarte
Hirngebiete ausbreiten, wie bei Jackson-Anfällen. Sie
kann auch auf tiefergelegene und entferntere Hirnzentren überspringen. Damit
können sich auch Empfindungen, Bewusstseinsstörungen und Bewegungsabläufe bei
einem Herdanfall verbinden. Die Anfallsbezeichnung kann dann durch die
entsprechenden Erscheinungen erweitert werden.
Schließlich kann die herdförmige
epileptische Erregung - oft auf dem Umweg über eine vorausgehend bewirkte Aura,
einen Jackson-Anfall oder komplex-fokalen Anfall - auch das ganze Gehirn
weitgehend erfassen und einen sekundär generalisierten Anfall
auslösen, heute auch beschrieben als „Fokaler Anfall mit Übergang in einen
bilateral-tonisch-klonischen Anfall“.
Bei "multifokalen" Epilepsien
gibt es mehrere Anfallsherde, die gleichzeitig oder hintereinander oder
abwechselnd sehr unterschiedlich ausgestaltete Anfälle hervorrufen können, auch
Bewusstseinsstörungen wie die atypischen Absencen.
Fokale Anfälle können sich somit in
allen möglichen Empfindungen und Lebensäußerungen ausprägen, dazu in
verschiedenen - unzähligen - Kombinationen.
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