Affektanfälle
/ Affektkrämpfe
Fragen:
Was sind Affektanfälle?
Welche Kinder
haben Affektanfälle?
Wie sehen
Affektanfälle aus?
Wie kommt es
zu diesen Anfällen?
Sind die
Anfälle gefährlich?
Wie sicher ist
die Diagnose?
Kann man
vorbeugen?
Was kann man im
Anfall tun?
Wie sind die
Aussichten?
Was sind
Affektanfälle oder Affektkrämpfe?
Andere
Bezeichnungen: Respiratorische Affektanfälle, Schreikrämpfe, Wegbleiben,
Wegschreien, Wutkrämpfe, breath-holding spells.
Affektkrämpfe
sind anfallsartige Bewusstseinsstörungen - gelegentlich mit krampfartigen
Erscheinungen - die durch unangenehme Reize (Affekte) ausgelöst werden. Solche
Affekte sind sowohl körperliche Schmerzempfindungen jeder Art als auch
psychische Verletzungen, die Enttäuschung oder Wut bei den Kindern hervorrufen,
etwa bei Verboten oder Strafen.
Welche
Kinder haben Affektanfälle/ Affektkrämpfe?
Affektkrämpfe
kommen bei Kindern im Alter von 6 Monaten bis 5 Jahren vor, bevorzugt zwischen
dem 6. und 18. Lebensmonat, selten schon in den ersten Lebensmonaten oder noch
im Schulalter. Sie sind häufig. Etwa 5 Prozent aller Kinder erleiden diese
Anfälle, manche nur wenige im Jahr, andere mehrere am Tag.
Besonders
die lebhaften und empfindsamen Kleinkinder, Jungen mehr als Mädchen, neigen zu
Affektkrämpfen. Oft besteht eine familiäre Veranlagung zu übermäßiger
Erregbarkeit, zu Jähzorn und Angstzuständen. Bei etwa einem Viertel der
betroffenen Kinder kommen Affektkrämpfe auch bei Geschwistern vor oder wurden
in der Kindheit bei den Eltern gesehen.
Wie
sehen Affektanfälle aus?
Den
Beginn des Anfalls erkennt man oft schon am erschreckten oder wütenden
Gesichtsausdruck des Kindes. Es folgt meist ein sich steigerndes Schreien über
einige Sekunden, das dann plötzlich abbricht. Bei manchen Kindern bleibt das
Schreien auch aus oder es kommt nur zu einem Ansatz zum Schreien. Nach einer
Ausatmung hält das Kind den Atem an, versteift sich meist anfangs, wird blass,
die Lippen oft bläulich ("zyanotisch"), dann bewusstlos und fällt
schlaff hin. Nach einigen Sekunden bis Minuten kommt es wieder zu sich, ist
dann meist erschöpft, gelegentlich schlafbedürftig. Bei längerer und tieferer
Bewusstlosigkeit können auch Verkrampfungen - meist kurze steife Streckkrämpfe,
gelegentlich auch Zuckungen - vorkommen.
Außer
diesen oft sehr dramatisch verlaufenden "blauen Affektkrämpfen"
kommen - seltener - auch "blasse Affektanfälle" vor
("Reflexsynkopen", weitgehend beschränkt auf das 2. Lebensjahr),
veranlasst durch Schmerzen etwa bei einem Stoß des Kopfes gegen eine
Tischkante, oder auch nur durch Angst oder einen Schreck. Dabei bleibt das
Schreien meist aus, oder es kommt nur zu einem kurzen Aufschrei, und die Kinder
sacken blass und bewusstlos auf den Boden.
Wie
kommt es zu diesen Anfällen?
Die
abnorme Erregung des Kindes bewirkt einen krampfartigen Verschluss der
Stimmritze mit Atemstillstand. Die Erregung bewirkt außerdem - über das
vegetative Nervensystem - eine Kreislaufstörung durch Abfall des Blutdrucks und
eine Verlangsamung des Herzschlags. Alles zusammen verursacht über die verminderte
Sauerstoffversorgung der Haut die Blausucht ("Zyanose") und die des
Gehirns die Bewusstlosigkeit.
Die
gelegentlich auftretenden Streckkrämpfe, verbunden oft auch mit einigen
Zuckungen (Kloni), Dauer in der Regel nur 5-10 Sekunden, sind durch den Sauerstoffmangel
bedingt ("anoxische" Krämpfe) und keine epileptischen
Anfälle. Nur in sehr seltenen Fällen führt der Sauerstoffmangel zu einem
anoxischen epileptischen Reflexanfall mit länger
anhaltenden Kloni des Gesichts und der Gliedmaßen oder
einem generalisierten tonisch-klonischen Verlauf.
Sind
die Anfälle gefährlich für das Kind?
Der
oft dramatische Ablauf kann besonders beim ersten Mal die Eltern zutiefst ängstigen.
Glücklicherweise kann der Arzt sie weitgehend beruhigen und sagen, dass auch
bei häufigerem Auftreten und längerer Dauer der Anfälle Todesfälle oder
erhebliche Folgeschäden nicht vorkommen.
Wie
sicher ist die Diagnose?
Der
typische Anfallsablauf lässt in der Regel an der Diagnose keinen Zweifel. Wird
im Zweifelsfall noch ein Hirnstrombild (als Langzeit-EEG)
abgeleitet, findet man im Affektanfall keine krampftypischen
Muster, sondern nur eine Verlangsamung. Eine epilepsietypische
Aktivität zwischen den Anfällen - sie findet sich nicht selten auch bei
anfallsfreien gesunden Kindern - sollte immer durch einen erfahrenen Kinderepileptologen bewertet werden.
Kann
man Affektanfällen vorbeugen?
Angehörige
und Betreuer können darauf achten, welche Affekte die Anfälle verursachen.
Gelegentliche Schmerzreize werden sie kaum verhindern können. Andere Auslöser,
etwa abrupte Verweigerungen, brüske Gebote und Bestrafungen mit Worten oder
Taten, lassen sich durch eine einfühlsame erzieherische Haltung vermeiden oder
mildern. In affektgeladenen Situationen kann man entspannend reagieren durch
Ablenkung oder liebevolle Zuwendung. Trotzdem müssen natürlich unangemessenen
Wünschen des Kindes konsequente Grenzen gesetzt werden. Die Beratung durch
einen Kinderpsychotherapeuten kann eine Hilfe sein. Bei gehäuften Anfällen ist
auch, wenn möglich, ein vorübergehender Mileuwechsel zu empfehlen, etwa ein Aufenthalt
bei der Großmutter. Nur ausnahmsweise wird man auch die Gabe eines
erregungsdämpfenden Mittels erwägen.
Was
kann man im Anfall tun?
Im
Beginn kann man versuchen, das Kind von seinem Schmerz abzulenken und wieder in
Kontakt zu seiner Umgebung zu bringen, etwa durch lauten Zuruf, ungewohnte
Geräusche, Anpusten, Betätscheln der Wangen, Bespritzen mit Wasser. Eltern
bestreiten meist, dass solche Manöver etwas ausrichten, zumal das Geschehen oft
sehr rasch abläuft. Doch man kann es versuchen.
Will
das Kind einen Anfall zum Durchsetzen seines Willens bewusst einsetzen, wird
man dies nicht beachten, es ablenken oder den Raum verlassen. Bei eingetretener
Bewusstlosigkeit sollte das Kind auf die Seite gelegt werden. Eine Beatmung ist
unnötig und kann eher schaden als nutzen.
Wie
sind die Aussichten auf eine Besserung?
Die
Anfälle hören in einigen Monaten oder Jahren spontan auf, in der Regel
spätestens im fünften Lebensjahr.