"Bin ich ein
krankes Kind?"
Krank
ist nur, wer unter einer Krankheit leidet. Wenn unter der Einnahme von
Medikamenten keine oder nur gelegentlich Anfälle auftreten, ist das Kind in der
Regel nicht krank und sollte nicht als "anfallskrankes Kind"
angesprochen werden.
Dies
gilt auch bei vergleichbaren chronischen Erkrankungen mit vorübergehenden
Symptomen. Im täglichen Umgang wird jeder nur bei akuten Erscheinungen von
einem Migräne- oder Allergiekranken sprechen, sonst nur von einer Neigung zu
Migräneanfällen oder Allergien.
Unserem
Kind können wir sagen, dass es nur bei einem Anfall wirklich krank ist.
Eltern
scheuen oft den Begriff Epilepsie. Sie wissen, dass viele
Menschen damit die Vorstellung einer schweren Erkrankung oder Behinderung
verbinden.
Solche
falschen Vorstellungen entstehen, weil in der Öffentlichkeit fast nur die
seltenen schweren Erkrankungen wahr genommen werden, die oft aus erheblichen Hirnschäden hervorgehen. Es ist wenig bekannt, dass die
meisten Epilepsie-Betroffenen - viele Kinder wie auch Erwachsene - ganz
unauffällig unter uns leben. Hinzu kommt, dass epileptische Anfälle für den
Laien schwer einfühlbar („unheimlich“) und erklärbar sind.
Ein
Kind wird unnötig belastet und verunsichert, wenn ihm auferlegt wird, seine
Anfälle zu verheimlichen. Die Angehörigen können aber dazu beitragen, dass es
im Spiel- und Freundeskreis nicht "damit angibt", indem sie nicht
unnötig oft - und wenn, dann ohne Aufhebens - die Krankheit erwähnen.
Man
kann deutlich machen, dass eine chronische Erkrankung nichts Ungewöhnliches
ist. Unter den Spielkameraden oder in der Klasse gibt es sicher einige mit
Hauterkrankungen oder einem Asthma. Diese leiden oft mehr und ihre Krankheiten
sind nicht selten schwerer zu behandeln.
In
der Umgangssprache mit Kindern wird man möglichst keine Fachbegriffe verwenden.
Im Familienkreis wird meist, wenn nötig, von "den Anfällen"
gesprochen. Wenn die Begriffe epileptische Anfälle oder Epilepsie auftauchen,
und die Kinder danach fragen, wird man ohne Aufhebens sagen, dass sie von
Ärzten gebraucht werden. Und dass Epilepsie eine Krankheit ist wie jede andere.
"Warum muß ich
immer einnehmen?"
Vor
allem bei nicht selbst erlebten Anfällen sehen Kinder oft die Notwendigkeit der
Einnahme nicht ein. Je älter und verständiger das Kind ist, um so wichtiger ist
es daher, ihm ohne Beschönigung oder Übertreibung zu sagen, was Anwesende bei
Anfällen gesehen haben, die das Kind nicht selbst erlebt hat; notfalls auch mit
einer Videoaufnahme.
Kinder
nehmen die Tabletten lieber, wenn sie mit der Einnahme nicht allein stehen und
wissen, dass auch das Baby täglich seine Vitamintabletten oder der Großvater
seine Herzmittel einnehmen muss. Auch Eltern können eigene Pillen oder
Vitamintabletten im Familienkreis gleichzeitig einnehmen und damit eine
Ausnahmestellung des Kindes vermeiden.
In
der Pubertät regt sich von Natur aus Widerstand gegen alle Vorschriften - sei es
Zurückhaltung bei Alkoholika, regelmäßige Schlafzeiten,
oder das ständige Einnehmen. Daher werden Eltern und Arzt das ältere Kind in
Besprechungen nach Kontrolluntersuchungen einbeziehen und auf seine Einwände
eingehen. Mancher Arzt wird schon von sich aus ein vertrauliches Gespräch mit
dem älteren Kind oder Jugendlichen führen, um sein Gefühl zu stärken, für sich
selbst verantwortlich zu sein und ernst genommen zu werden. Andernfalls sollten
die Eltern oder die Kinder selbst ihn darauf ansprechen.
Siehe
dazu: Was tun wir, wenn
unser Kind die Tabletten nicht einnehmen mag?
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