Nichtepileptische anfallsartige Erscheinungen im Kleinkindesalter

 

Am häufigsten erschrecken die Eltern der Kinder dieses Alters

die Affektkrämpfe  (Andere Bezeichnungen: Respiratorische Affektanfälle, breath-holding spells, Schreikrämpfe, Wegbleiben, Wegschreien, Wutkrämpfe)  und

der Pavor nocturnus  (auch Nachtschreck, Nachtangst, nächtlicher Angstanfall genannt). 

Außerdem zu nennen sind

die Einschlafzuckungen. Sie treten in jedem Alter - besonders aber im Kleinkindesalter - auf. Sie betreffen einzelne Glieder, oft den Schultergürtel. Sie können beim Einschlafen oder im leichten Schlaf aber auch häufiger auftreten und so störend und heftig sein, dass Betroffene davon aufwachen. Sie werden dann als Einschlafmyoklonien oder benigne Schlafmyoklonien bezeichnet und zu den Schlafstörungen gerechnet. Sie sind keine epileptischen Myoklonien.

die Stereotypien, gleichförmig sich wiederholende Bewegungsmuster. Sie werden - wie bei Säuglingen - auch bei Kleinkindern häufiger gesehen. Ein Rumpfschaukeln oder Gesichterschneiden (Grimassieren) wird von Eltern meist noch nicht als ungewöhnlich empfunden, wenn es gelegentlich und vorübergehend und in besonderen Situationen (z.B. Angst, Stress, Langeweile) auftritt. Zum Arzt führt gelegentlich ein gehäuftes, excessives und unmotiviertes Auftreten, besonders von ungewöhnlichen Bewegungsmustern wie Unterarm- oder Beineschütteln, Händeklatschen, Fingerreiben oder auch Grimassieren. Meistens sind sie als gutartig - und i.d.R. vorübergehend – einzuordnen, wie auch

 

die Jactationen mit rhytmischem, stereotypem Hin-und her-Wälzen/ -Schlagen/ -Schaukeln des Kopfes und Körpers (lat: Jactatio capitis et corporis nocturna), die meist beim Einschlafen auftreten, beginnend noch halbwach und bis in den Leichtschlaf, meist schon im späten Säuglingsalter. Oft dabei auch Lautäußerungen wie Brummen.

die Selbststimulation, die nicht selten schon bei Säuglingen und bei Kleinkindern vorkommt, überwiegend bei Mädchen. Dabei sieht man in stereotyp sich wiederholender Form wippende und schaukelnde Körperbewegungen. Auch Erröten des Gesichts und Schwitzen, Starren und Stöhnen ist dabei möglich. Dauer Minuten bis selten Stunden. Die Kinder hören mit den Stimulationen meist nach einigen Wochen oder Monaten spontan auf.

der seltene tonische Aufwärtsblick. Er tritt meist im Kleinkindesalter auf – auch schon im Säuglingsalter. Dabei besteht kurzzeitig ein starrer Blick mit beiden Augen nach oben von einigen Sekunden Dauer bei erhaltenem Bewusstsein. Beim Versuch, wieder nach unten zu sehen, kommt es oft zu einem „nach unten schlagenden“ → Nystagmus . Eine Bewegungsunsicherheit (→ Ataxie) kann diese Momente begleiten. Motorische Entwicklungsstörungen – etwa verpätetes Laufenlernen, Muskelschlaffheit und Ataxie– werden gelegentlich bei den betr. Kindern – meist vorübergehend - gesehen. Im übrigen entwickeln sich die Kinder sonst meist unauffällig, und auch das Aufwärtsblicken schwächt sich ab und verschwindet nach einigen Monaten bis Jahren.

das seltene Sandifer-Syndrom. Man sieht es schon im Säuglingsalter, aber vermehrt im 2.- 3. Lebensjahr. Dabei Auftreten plötzlicher – z.T. bizarrer - tonischer Streckhaltungen der Arme, auch mit Überstreckung des Kopfes und Oberkörpers nach hinten, sowie tonische (steife) Kopfwendungen bis zu mehreren Minuten Dauer, oft mehrmals täglich meist während oder nach der Nahrungsaufnahme. Als Ursache gilt u.a. eine Schmerzreaktion des Kindes auf einen Rückfluss vom Magen in die Speiseröhre. Das EEG kann epileptische Anfälle ausschließen.

das Schlafwandeln (Somnambulismus), das schon im Kleinkindesalter, vermehrt ab dem 5. Lebensjahr, im NREM-Schlaf – meist im Tiefschlaf - auftreten kann. Während des Schlafwandelns sind die Kinder nicht ansprechbar, wie im Trance. Entgegen häufiger Ansicht besteht dabei eine erhebliche Verletzungsgefahr. Sie sind dabei schwer zu erwecken, lassen sich aber meist ins Bett zurückführen. Wenn sie dabei aufwachen, weinen sie, weil sie sich nicht zurechtfinden. Schlafwandeln kann auch bei Kindern zusammen mit Pavor-noct.-Anfällen oder im Wechsel mit diesen auftreten. Das deutet auf eine Verwandtschaft der Ursache beider Schlafstörungen.

der benigne paroxysmale Schwindel. So nennt man nichtepileptische Schwindelanfälle im Kleinkindesalter von kurzer Dauer (in der Regel höchstens 1 Minute), ohne Vorboten auftretend und ohne Bewusstseinstrübung, dabei Bässe, Angst, oft auch Augenrucken (→ Nystagmus). Sie verschwinden in der Regel bis zum Schulalter und bedürfen keiner Behandlung.

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